April 1, 2013

Die Chicano-Bewegung: Mexikanisch-amerikanische Geschichte und der Kampf für Gleichberechtigung

Rosa Luxemburg Stiftung - New York

Gegenwärtig leben mehr als 50 Millionen Latinos in den Vereinigten Staaten, darunter schätzungsweise elf Millionen ohne gültige Aufenthaltserlaubnis. In den letzten Jahren ist diese neuerdings „größte Minderheitengruppe“ zunehmend ins nationale Rampenlicht getreten. Anlass hierfür war allerdings vor allem die deutliche Zunahme der staatlichen Unterdrückung: Arizona, Alabama und andere Staaten haben drakonische, auf Latinos zielende Einwanderungsgesetze erlassen, welche Menschen- und Bürgerrechte mit Füßen treten. Auf Bundesebene hat Präsident Obama bei Abschiebungen Rekordzahlen erreicht und in seiner ersten Amtszeit insgesamt 1,5 Millionen Frauen und Männer ausgewiesen.

Trotz dieses traurigen Rekords erhielt Obama bei der Präsidentschaftswahl 2012 beispiellose 75 Prozent der Latino-Stimmen. Dies wurde vor allem als Votum gegen die Republikaner angesehen, deren Präsidentschaftskandidat „Selbst-Ausweisung“ befürwortete, während weniger vorsichtige Parteimitglieder ihren rassistischen Tiraden freien Lauf ließen. Ernüchtert durch ihre Niederlage glauben Strategen der Republikaner nun, ihre Partei müsse Latinos ansprechen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Forderungen nach einer Einwanderungsreform gehören deshalb plötzlich zum Mainstream der nationalen politischen Debatte.

Die Zerrbilder des 24-Stunden-Nachrichtenzyklus und der in den Schulen vermittelten US-Geschichte haben die meisten Menschen indes darum gebracht, diese Ereignisse als Teil eines wesentlich längeren Kampfes zu verstehen. Bis heute sind Jahrhunderte des Unrechts gegenüber Latinos noch nie grundsätzlich, als verfassungsrechtliches oder ethisches Problem der Vereinigten Staaten, behandelt worden. Ebenso wenig sind die mutigen Kämpfe von Latinos gegen diese Unterdrückung in die Geschichtsbücher aufgenommen und in den Medien berücksichtigt worden.

Der Autor dieser Studie, Dr. Carlos Muñoz, Jr., kennt diese Geschichte so gut wie kaum ein anderer. Er ist Mitbegründer des landesweit ersten Instituts für Chicano-Studien und der National Association of Chicana & Chicano Studies. Muñoz ist Professor em. am Department of Ethnic Studies der University of California in Berkeley und langjähriger Aktivist der Bewegung der Mexican Americans. Er gilt als Schlüsselfigur der Chicano-Bewegung der 1960er Jahre; seine Darstellung dieser Zeit in „Youth, Identity, Power: The Chicano Movement“ ist ein grundlegendes Werk mexikanisch-amerikanischer Geschichtsschreibung.

In der vorliegenden Studie analysiert Muñoz die Geschichte der Kämpfe mexikanischer Amerikaner – von der Eroberung des heutigen amerikanischen Südwestens Mitte des 19. Jahrhunderts über die 1960er Jahre und den Beginn der Chicano-Bewegung bis zu deren Niedergang und den Kämpfen der Gegenwart. Heute, wo sich immer deutlicher abzeichnet, dass visionäre politische Aktion nötig ist, besitzt Muñoz’ Bericht über die letzte große Welle des radikalen Latino-Aktivismus große Bedeutung. Was können Unterstützer der Latino- und der Einwandererbewegung aus vergangenen Erfolgen und Niederlagen lernen? Wie können wir uns heute organisieren, um gegenwärtige Auseinandersetzungen zu gewinnen und gleichzeitig Visionen für eine wirklich egalitäre Gesellschaft von morgen zu kultivieren?


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